Polyzythämie (Erythrozythose)
Gestern wurde in der Sprechstunde ein Hund vorgestellt, der seit einem halben Jahr sehr matt ist. Der Hund ist seit dem halben Jahr auch schon in Behandlung bei seinem Haustierarzt. Hierbei war die einzige labordiagnostische Auffälligkeit ein Hämatokrit zwischen 65-70% und seine Erythrozyten befanden sich weit über dem Normbereich. Daraufhin wurde der Hund mit Antibiose und Cortison therapiert, sowie eine Zeckenkrankheitsdiagnostik durchgeführt und anschließend gegen Anaplasmose behandelt.
Der Hämatokrit lies sich, egal nach welcher Behandlung, nicht absenken.
Als der Hund nun bei uns vorgestellt wurde genügte dem Internisten ein Blick auf die Befunde und die Diagnose stand fest: Polyzythämie. Diese Diagnose mit sehr schwieriger Therapie bedarf trotzdem einer weiterer Abklärung.
Eine Polyzythämie ist eine Vermehrung der Blutzellen über den Referenzbereich. Hierbei ist zu beachten, dass es sich beim Kleintier nur um eine Erythrozythose handelt. Auch ist zu beachten das manche Hunderasse, wie z.B. der Dackel physiologisch einen höheren Hämatokrit aufweisen können.
Nun gibt es verschiedene Pathogenesen:
Bei der relativen Polyzythämie kommt es durch Flüssigkeitsverluste zu einer Dehydratation und somit zu einer Hämokonzentration und anschließend zu einer absoluten Polyzythämie, welche sich in eine primäre Polyzythämie (Polyzythämia vera) und eine sekundäre Polyzythämie einteilt.
Bei der primären Polyzythämie haben wir einen myeloproliferativen Prozess, bei dem ein vermehrtes Wachstum der Knochenmarksstammzellen eintritt ohne eine erhöhte Epo-Produktion.
Bei der sekundären Polyzythämie kommt es zu einer erhöhten Epo-Produktion. Dies kann auftreten, durch eine Erkrankung der Lunge, des Herzens oder der Niere.
So nun galt es für uns eine sekundäre Polyzythämie auszuschließen. Dafür wurden zwei Röntgenbilder vom Thorax angefertigt (LL und VD). Diese braucht man zur Beurteilung des Herzens und man bekommt eine Vorstellung, ob auch eine Lungenerkrankung vorliegen kann. Sollte man sich bei dem Herzen nicht ganz sicher sein und der Auskultationsbefund ein fragliches Herzgeräusch aufweisen, ist der Ultraschall bei einem Kardiologen angeraten. Danach haben wir die Nieren geschallt, um auch dort eine Erkrankung der Nieren ausschließen zu können, welche uns eine erhöhte Epo-Produktion erklären würde. Zu guter Letzt, da es sehr stressig für das Tier sein kann, haben wir im noch arterielle Blutgase abgenommen, um eine bessere Vorstellung der Beschaffenheit der Lunge zu bekommen.
Da am Ende der Untersuchung alle Befunde vollkommen in Ordnung waren, stand die Ausschlussdiagnose nun fest: eine primäre Polyzythämie.
Für die Behandlung der primären Polyzythämie steht nur ein Medikament zur Verfügung Hydroxyurea („Litalir“). Dies wird mit 30mg/kg/d gegeben für 1 Woche p.o, danach senkt man die Dosis auf 15 mg/kg/d. Natürlich muss das Blut, so wie die Nierenwerte am Anfang wöchentlich kontrolliert werden, um eventuell die Dosis anzupassen oder Nebenwirkungen vorzubeugen.
Literaturverzeichnis:
Niemand, Suter, Kohn, Niemand, Hans Georg, Suter, Peter F, & Kohn, Barbara. (2012). Praktikum der Hundeklinik / Begründet von Hans G. Niemand. Hrsg. von Peter F. Suter … (11., überarb. u. erw. Aufl. ed.). Stuttgart: Enke.